26.11.2017 Stellungnahme von Peter Gärtner – Mitglied der Regionalversammlung Südhessen,
Ehemaliger planungspolitischer Sprecher der Linken im Römer – zum geplanten Neubaugebiet im Nordwesten Frankfurt.
Der Magistrat der Stadt Frankfurt hat Anfang Juni 2017 beschlossen, einen neuen Stadtteil mit bis zu
12.000 Wohnungen für bis zu 30.000 Einwohner beidseits der Autobahn A5 zu entwickeln. Mit dieser
voreiligen Festlegung hat der Magistrat das mit großem Aufwand betriebene „integrierte Stadt-
entwicklungskonzept“ ad absurdum geführt und deutlich gemacht, dass die dabei betriebene Bürger-
beteiligung erneut eine Verarschung war. Mit der Magistratsvorlage M 176 vom 8.9.2017 werden die
vorbereitenden Untersuchungen für eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme beschlossen.
Im Folgenden habe ich einige Fakten zur Beurteilung dieses Planes zusammengestellt:
1.) Flächenbilanz
Die Fläche des Entwicklungsgebietes ist ca. 550 Hektar (ha) groß, von denen laut Zeitungsberichten
190 ha bebaut werden sollen. Die in der M 176 veröffentlichte Karte zeigt ein Entwicklungsgebiet, das
den gesamten Bereich nordwestlich von Heerstraße – Praunheimer Weg – Gerhart-Hauptmann-Ring –
Spielsgasse – Kreuzerhohl – Rosa-Luxemburg-Straße umfasst. Darin sind große bebaute, beplante
oder nicht bebaubare Flächen enthalten: Gewerbegebiet Praunheim, Siedlung Steinbacher Hohl und
Nordwestkrankenhaus, ein Teil der Nordweststadt, halb Niederursel, Friedhöfe, Sportflächen und die
Bach-Auen. Die derzeitige Nutzung der nicht neu bebaubaren Flächen sieht wie folgt aus:
Das eigentliche Planungsgebiet ist also viel kleiner. Es umfasst nur ca. 353 ha, von denen ca. 54 %
bebaut werden sollen. Mit seinen Zahlen erweckt der Magistrat den Eindruck, dass nur etwas mehr als
ein Drittel der Fläche bebaut werden würden. Dies ist falsch, der Anteil der bebauten Flächen wird viel
größer sein und würde einschließlich des Bestandes ca. 62 % betragen.
Auf den zu bebauenden Flächen von 190 h ergibt sich eine Siedlungsdichte von 63 Wohneinheiten
pro ha. Dies entspricht ungefähr der Vorgabe des Entwurfs des Landesentwicklungsplanes (LEP) von
60 Wohneinheiten pro ha.
2.) Versorgungstrassen
Das Gebiet ist von mehreren Hochspannungsleitungen (380 kV, 110 kV) durchzogen, die
überwiegend parallel zur Autobahn verlaufen. Im Entwurf des LEP ist vorgesehen, dass beidseitig
einer Hochspannungsleitung ein Abstand von 400 m einzuhalten ist. Damit wäre das Gebiet fast
komplett nicht bebaubar, außer wenn die Stromleitungen unter die Erde verlegt würden, was sehr
teuer ist. In ihrer Stellungnahme zum LEP lehnt daher die Stadt Frankfurt diese Abstandsregel ab.
Außerdem gibt es eine Haupt-Gasleitung und mehrere Wasserleitungen, die ebenfalls nicht
überbaubar sind. Die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung fordert, dass Wohnungen nur
im Abstand von mindestens 350 Metern zu Ferngasleitungen gebaut werden dürfen.
3.) Autobahn
Der Lärm der Autobahn lässt sich wahrscheinlich durch aktiven und passiven Lärmschutz oder eine
Einhausung eindämmen. Die Abgase lassen sich aber nicht entfernen, sodass ein breiter Streifen
entlang der Autobahn nicht für Wohnungen zumutbar ist. Durch die geplante Verbreiterung der
Autobahn wird die Belastung weiter zunehmen. Derzeit sind 307 ha als mit „hoher
Luftschadstoffbelastung“ eingestuft. Gemäß § 9 Bundesfernstraßengesetz ist eine Bebauung im
Abstand von 40 m unzulässig, und bis zum Abstand von 100 m ist eine besondere Genehmigung
durch die Landesstraßenbaubehörde erforderlich.
4.) Klima-, Natur- und Landschaftsschutz
Das Gebiet ist Kaltluftentstehungsgebiet und Frischluftschneise für Frankfurt. Eine Bebauung
widerspricht dem Klimaschutzplan für Frankfurt. 431 ha sind als klimawirksame Fläche mit sehr hoher
oder hoher Bedeutung eingestuft.
Der größte Teil der Fläche ist Landschaftsschutzgebiet (366 ha).
Der größte Teil der Fläche ist Trinkwasserschutzgebiet (403 ha).
Wenn hier gebaut werden würde, dann müssten die Praunheimer Trinkwasserbrunnen komplett geschlossen werden. Die Stadt Frankfurt müsste für ihre wachsende Bevölkerung noch stärker auf Wasser aus dem Umland zurückgreifen.
- 84 ha sind Teil des Naturparks Hochtaunus.
- Es gibt geschützte Arten nach BNatSchG, unter anderem Feldhamster, Kreuzkröte und Steinkauz.
- Es gibt geschützte Biotope (z.B. Feldgehölze, Baumgruppen, Streuobstwiesen).
- Die Bachauen (Urselbach und Steinbach) sind streng geschützt.
- Die Fläche hat hohen Erholungswert, u.a. durch Regionalpark-Routen und Fernwanderwege.
- 53 ha sind Bodendenkmäler (Siedlungen und Gräber aus verschiedenen Zeiten)
- 6,7 ha sind rechtsverbindliche Kompensationsflächen (Ausgleichsmaßnahmen für Naturzerstörungen an anderer Stelle).
Die Umweltprüfung mit dem Planungstool des Regionalverbandes (öffentlich von jedem nutzbar:
www.region-frankfurt.de, Menu Geoportal – WebSUP) ergibt einen Konflikt-Index von 7,8 – 8,9
(abhängig von der Begrenzung der Fläche) auf einer Skala von 0 – 10. Damit ist die Bebauung aus
umweltpolitischer Sicht nicht genehmigungsfähig.
5.) Landwirtschaft
Durch die geplante Bebauung gehen große landwirtschaftlich genutzte Flächen verloren. Mehrere
Betriebe werden ihre Existenzgrundlage verlieren, darunter mehrere Aussiedlerhöfe, die direkt in der
Planfläche liegen. Dies widerspricht dem Ziel, Nahrungsmittel möglichst in Nahversorgung bereit-
zustellen. Stattdessen werden die Transportwege immer länger. Da die Versiegelung des Bodens
landesweit immer weiter zunimmt, wird die Lebensmittelproduktion ins Ausland oder sogar in andere
Kontinente verlagert, wodurch der dortigen Bevölkerung oft die Lebensgrundlage entzogen wird.
Mein Fazit:
Die vorstehenden Fakten zeigen, dass ein neuer Stadtteil an dieser Stelle weder sinnvoll noch
wünschenswert ist. Die Nachteile für die Bevölkerung und das Klima sind enorm. Es ist fraglich, ob die
Bebauung überhaupt genehmigungsfähig ist.
Die Planung ist als Teil der Wachstumsstrategie des Magistrats der Stadt Frankfurt zu sehen, die ich
ablehne. Die Wachstumsfrage ist das Hauptthema, über das diskutiert werden muss: Soll Frankfurt,
wie von der Koalition aus CDU, SPD und Grünen gewollt, wachsen mit all den damit verbunden
Nachteilen für die Bevölkerung? In ihrer Stellungnahme zum LEP fordert die Stadt Frankfurt bis 2030
bis zu 1.500 ha zusätzliche Bauflächen in der Außenentwicklung. Dies ist das Mehrfache der jetzt
betrachteten Fläche, die nur durch Eingriffe in den Grüngürtel bereitgestellt werden könnte!
26.11.2017 Peter Gärtner
Mitglied der Regionalversammlung Südhessen
ehemaliger planungspolitischer Sprecher der Linken im Römer
Kontakt: gaertner.peter.ffm@t-online.de
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