Luftkorridore zubauen und freihalten gleichzeitig?

Am 25. September 2017 stellte der Frankfurter Stadtplanungsdezernent Mike Josef seine Planung für den Bau eines neuen Stadtviertels im Nordwesten – auch „Josefstadt“ genannt – im Titusforum im Nordwestzentrum vor: beiderseits der Autobahn A5 (Frankfurt Kassel), eine der meistbefahrenen Autobahnen Deutschlands. Kennzahlen: 500 Hektar Betrachtungsraum, 180 Hektar zu bebauende Fläche für 12.000 Wohnungen und 30.000 Einwohner. Dreifache Einwohnerdichte verglichen mit der Nordweststadt.

450 Bürger im Saal

Diese Bürger brachten viele Fragen mit. Vor dem Saalmikrofon bildete sich eine lange Schlange. Tenor der Fragen: Wieso wird diese Klimafläche zugebaut? Wie heiß wird es dann in der Nordweststadt? Welche Schwierigkeiten sind zu erwarten, wenn so eng neben der Nordweststadt eine weitere Trabantenstadt gebaut wird? Kann es sinnvoll sein, ein solches Stadtviertel so nahe an die Nachbarkommunen zu bauen? Damit drohe ein unerträglicher Siedlungsbrei.

Innerer Widerspruch

Auf einer aktuell auf der Homepage des Stadtplanungsamtes abgebildeten Flurkarte sind die bedeutsamen Grünzüge der Stadt hellblau markiert. Sie verlaufen kreisförmig um das Stadtzentrum herum (Grüngürtel) und strahlenförmig wie Speichen eines Rades in das Umland. Drei blau markierte Speichen sind nach Nordwesten ausgerichtet. Die südliche davon überdeckt genau die Fläche, auf der die Josefstadt vorgesehen ist. Wie die anderen Speichen ist diese Fläche bedeutsam für die Frisch- und Kaltluftzufuhr in die nordwestlichen Vororte, die besonders nachts dazu führt, dass hier die hohen Sommertemperaturen reduziert werden. Inzwischen ist Frankfurt im Zeichen des Klimawandels die heißeste Stadt Deutschlands geworden. Damit haben Frisch- und Kaltluft eine sehr viel höhere Bedeutung erlangt, als zu Beginn der Planung absehbar war.

Zu den Speichen schreibt die Stadt auf ihrer Homepage (Zitat): „Klima, Mobilität, Freiraum. In diesen „Speichen und Strahlen”, sollen künftig die Klimafunktionen des GrünGürtels und des Umlands für die Kernstadt gesichert und genutzt, die Wege in den GrünGürtel und in den Regionalpark ausgewiesen und gestaltet sowie neue Grün- und Freiräume in der Stadt mit den Bürgerinnen und Bürgern entwickelt werden.“ Die Stadt sei „vom Grünen her zu entwickeln.“ Und was tut die Stadt? Das Gegenteil: Sie will diese Speiche nämlich mit der Josefstadt komplett zubauen. Am Rande der Baugebiete sind schmale Grünstreifen vorgesehen, auf die dann die Frischluftzufuhr verengt wird? Unglaublich.

Luftkorridore zubauen und freihalten gleichzeitig

Zwei Jahre später hat das Planungsamt wohl bemerkt, dass es auf seinen Standpunkten von 2017 gegenüber den Bürgern nicht verharren kann. Deswegen wurde das Consilium einberufen, dessen externe Architekturexperten bei der Gestaltung der Josefstadt helfensollen. Aber wie können die das, wenn die geplanten sechs- und mehrstöckigenGeschossbauten die gesamte Fläche bis auf schmale Grünstreifen versiegeln und die Kaltluftentstehung blockieren würden?

Darauf finden sich gespenstische Antworten in dem Interview mit dem Stadtplaner und Vorsitzenden des Consiliums Uli Hellweg in der FAZ Rhein Main Zeitung (4.12.2019): „Wenn man dort baut, muss man die Grünzüge stärken und erweitern. Die ökologische Bilanz des neuen Stadtteils könnte sogar besser sein als heute.“ Das schnürt einem die Luft ab:Grünzüge zugebaut, Winde blockiert, Naherholungsgebiet versiegelt… Aber bessere ökologische Bilanz? Jedoch Hellweg lässt sich nicht bremsen und fährt fort: „Die Planer und Gutachter empfehlen, die Frischluftkorridore freizuhalten.“ Wie denn, bitte? Zubauen und freihalten gleichzeitig? Das ist absurd.

Neuer Plan der Quartiere“: kosmetische Maßnahme

Das Consilium ist offenbar auf eine leicht modifizierte – eher kosmetisch zu wertende – Auslegung der zu bebauenden Fläche gekommen, abgebildet in der Broschüre „Neuer Stadtteil der Quartiere“ vom November 2019. Der ursprünglich westlich der Autobahn als durchgehende Baufläche vorgesehene Teil ist jetzt in drei Quartiere gegliedert, so dass weitere schmale Grünstreifen entstehen. Östlich sehen wir weiterhin ein zentrales großflächiges Quartier, dessen Ränder etwas weiter von der bestehenden Bebauung zurückgezogen wurden. Ist es das, was Hellweg mit „Grünzüge erweitern und verstärken“ meint? Reine Kosmetik.

Frankfurt würde heißer

Man stelle sich einmal Luft als Wasser vor. Man kann an den Taunushängen sehr schön sehen, wo der Urselbach und andere Frankfurter Bäche entstehen. Sie werden von seitlich hinzufließenden kleineren Bächen mit Wasser versorgt und fließen dann gen Frankfurt und in die Nidda. Würden die seitlichen Hänge versiegelt, dann würden die kleinen Bäche versiegen. Auch die größeren Bäche würden schrumpfen und auf dem Weg nach Frankfurt vertrocknen – so wie heute schon der Steinbach. Genauso würde die seitliche Kaltluftzufuhr in die Grünstreifen der neuen Quartiere und damit in die nördlichen Frankfurter Stadtviertelabflauen oder ganz versiegen. Also würde Frankfurt im Sommer zumindest im Nordwesten noch heißer.

Wolf-Rüdiger Hansen ist Aktivist und Naturschützer in Frankfurt am Main. Er engagiert sich in verschiedenen Frankfurter Vereinen und Bürgergruppen und ist ehrenamtlich mit der Bewirtschaftung von Streuobstwiesen befasst. Er analysiert die Mängel der Frankfurter Stadtplanung und hat sich in Anbetracht des Klimawandels gegen den neuen Stadtteils im Nordwesten beiderseits der A5 positioniert, der auch „Josefstadt“ oder seit November 2019 „Neuer Stadtteil der Quartiere“ genannt wird.

Frankfurt-Nordweststadt – Mobil: 0171 2257 520 – hansen@wrhansen.de

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