Die Menschen in diesem Land brauchen bezahlbaren Wohnraum, für die wirtschaftliche Entwicklung und Stabilität ist eine leistungs- und zukunftsfähige Bauindustrie entscheidend. Die Bewältigung der Wohnungskrise in Deutschland erfordert effektive und zielgerichtete wirtschaftliche, soziale und ökologische Reformen. Der geplante „Bau-Turbo“ § 246e, Teil der Novelle des Baugesetzbuchs (BauGB), leistet hierzu jedoch keinen Beitrag. Im Gegenteil: Er verschärft bestehende Probleme. Deutschland benötigt eine durchdachte und nachhaltige Wohnungspolitik, die bezahlbaren Wohnraum schafft, Spekulation eindämmt und ökologische Ziele verfolgt. Eine zukunftsfähige Stadtentwicklung sollte sich vor allem auf eine sorgfältig geplante Innenentwicklung sowie die optimale Nutzung und Aufwertung des Bestands konzentrieren, anstatt unversiegelte Flächen neu zu bebauen.
Als breites Bündnis zivilgesellschaftlicher Akteure fordern wir im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens die Streichung dieses Paragrafen aus dem Gesetzentwurf aus folgenden Gründen:


1. Kein Beitrag zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum
§ 246e führt nicht zu bezahlbarem Wohnraum. Weder sind klare Vorgaben zum Bau von Mietwohnungen oder zur sozialen Wohnraumförderung enthalten, noch werden Mietpreisbindungen oder Schutzmechanismen für Mieter:innen gestärkt. Stattdessen wird es einfacher, bestehende Regelungen für Milieuschutz zum Schutz vor Mietpreissteigerungen zu umgehen. Dies begünstigt Verdrängungsprozesse in ohnehin angespannten Wohnungsmärkten und treibt die Mieten weiter in die Höhe.

2. Türöffner für Bodenspekulation auf Kosten der Allgemeinheit
§ 246e öffnet der Bodenspekulation Tür und Tor. Indem weitgehend von den Vorschriften des BauGB abgewichen werden kann, wird der Wettbewerb um Baurechte und Bauland verschärft. Dies begünstigt spekulative Grundeigentümer:innen und Investor:innen und führt zu weiter steigenden Bodenpreisen. Voraussichtlich werden vor allem der Handel mit Baurechten und Bauland sowie profitorientierte Bauprojekte gefördert, während die Schaffung bezahlbarer Wohnungen, nicht- kommerzielle Nutzungen und kleinteiliges Gewerbe auf der Strecke bleiben. Der „Bau-Turbo“ droht somit die soziale Ungerechtigkeit zu verschärfen und zementiert Fehlentwicklungen in der Bodenpolitik.


3. Gefahr für Umwelt und nachhaltige Stadtentwicklung
§ 246e schwächt den dringend notwendigen Schutz von wertvollen Grün- und Agrarflächen. Empfindliche Ökosysteme in städtischen Randgebieten drohen zerstört und die Zersiedelung vorangetrieben zu werden, ohne dass dies dem bezahlbaren Wohnungsbau zugute kommt. Dies konterkariert sowohl das nationale Ziel, den Flächenverbrauch zu reduzieren, als auch die Verpflichtung aus der EU-Wiederherstellungsverordnung, bis 2030 keinen Verlust städtischer Grünflächen zu verzeichnen. Weiterhin werden Elemente der Novelle zur Förderung einer klimafreundlichen und klimaangepassten Stadtentwicklung ausgehebelt.

4. Angriff auf kommunale Selbstverwaltung und demokratische Planungskultur
Die Einführung des § 246e als Abweichungsverfahren ohne Beteiligung greift die demokratische Planungskultur an und stellt die kommunale Selbstverwaltung grundsätzlich in Frage. Die Aufgabe der Planungsträger*innen soll vollständig auf die Genehmigungsbehörden verlagert werden. Diese verfügen weder über die nötigen Instrumente noch Kapazitäten, um komplexe Interessenkonflikte zu lösen. Das trilaterale und fristengebundene Genehmigungsverfahren zwischen Bauherr*innen, Genehmigungsbehörde und Kommune ist hierfür nicht geeignet. Das alles steht im Widerspruch zu den rechtsstaatlichen Prinzipien einer demokratischen Gesellschaft und den Zielen und Grundsätzen einer nachhaltigen, geordneten städtebaulichen Entwicklung.

5. Intransparenz erschwert Nachvollziehbarkeit und untergräbt Vertrauen
Das nachträgliche und intransparente Einfügen des § 246e in den Kabinettsbeschluss, ohne dass er im Referentenentwurf enthalten war und ohne entsprechende Möglichkeit zur Stellungnahme, ist aus Sicht der zeichnenden Organisationen äußerst bedenklich und erschwert die Nachvollziehbarkeit dieser Entscheidung. Durch die mangelnde Auseinandersetzung mit der umfangreichen Kritik von Fachleuten sowie der Zivilgesellschaft trägt die Bundesregierung wesentlich zur Untergrabung des Vertrauens in den Gesetzgebungsprozess bei.


Stand: Oktober 2024
Kontakt: Deutsche Umwelthilfe e.V. Patrick Biegon, Referent Energie & Klimaschutz Tel.: 030 2400867956, E-Mail: biegon@duh.de

Views: 92